Bilfinger fordert Millionen Schadensersatz von 12 Ex-Managern. Der Vorwurf: das Compliance-System wirkte nicht. Michael Hendricks im Handelsblatt über die Rolle der D&O-Versicherung in dem Fall.
Halten sich unsere Mitarbeiter wirklich alle an Recht und Gesetz? Und falls nicht: Wie schaffen wir es, ein internes Kontroll-System einzurichten, das Fehlverhalten tatsächlich wirksam ausschließt? Spätestens seit dem Fall Bilfinger dürfte Vorständen und Aufsichtsräten klar sein, dass sie in puncto Compliance in einem ernsten Dilemma stecken.
Topmanager müssen Regelverstößen wirksam vorbeugen
Der Gesetzgeber erwartet von ihnen, dass sie in ihren Unternehmen interne Kontroll-Systeme aufbauen, um Korruption, Betrug und Geldwäsche zu bekämpfen, Preisabsprachen zu verhindern oder auch um Verstöße gegen das Arbeits-, Produkthaftungs- oder auch Datenschutzrecht unmöglich zu machen. Dabei reichen Alibi-Veranstaltungen nicht aus. Denn gelingt es den Topmanagern an der Unternehmensspitze nicht, Regelverstöße nahezu auszuschließen, können sie wegen der verschärften Managerhaftung persönlich belangt werden.
Ex-Bilfinger-Vorstände sollen sich zu wenig für Compliance engagiert haben
Im Fall Bilfinger fordert der Aufsichtsrat mindestens 120 Millionen Euro Schadensersatz von dem Ex-Vorstandschef Roland Koch und elf weiteren ehemaligen Vorstandskollegen. Zuvor hatten interne Ermittlungen bei verschiedenen Projekten des Industriedienstleisters mutmaßliche Schmiergeldzahlungen, Fehler bei Übernahmen und ein zu lasches Engagement der verantwortlichen Manager beim Aufbau des Compliance-Systems zu Tage gebracht.
Aufsichtsräte müssen Vorstände bei Compliance an die Kandare nehmen
„Die Korruptionsaffäre bei Siemens war der erste große Fall. Er markiert eine Zeitenwende in der Managerhaftung“, analysiert D&O-Experte Michael Hendricks im Interview mit dem Handelsblatt und stellt klar: „Compliance in Unternehmen ist inzwischen die vornehmste Aufgabe des Topmanagements“. Denn Aufsichtsräte haben heute nach der geltenden Rechtsprechung gar keine andere Wahl, als Schadensersatzansprüche gegen Vorstände geltend zu machen, die in puncto Compliance nicht engagiert genug handeln.
Wegen der Organhaftung sind alle Vorstandsmitglieder betroffen
Selbst Vorstände, die nicht direkt an den Fehlern beteiligt sind, werden automatisch in die Haftung mit hineingezogen. „Es kommt darauf an, ob die Vorstände ihr Unternehmen so organisiert haben, dass die Gesetze eingehalten werden. Wenn das nicht der Fall ist, spricht man von einem Organisationsverschulden“, so Hendricks. Gerade Compliance-Verstöße betreffen wegen der Organhaftung in den meisten Fällen den ganzen Vorstand, einzelne Vorstandsmitglieder können sich dem kaum entziehen.
Der Aufsichtsrat muss das Nicht-Handeln des Vorstands ahnden, sonst haftet er selbst
Der Fall Bilfinger zeigt zudem, dass auch die Aufsichtsratsmitglieder selbst ein hohes Haftungsrisiko tragen. So laufen bei dem Baukonzern bereits Ermittlungen, ob auch die Unternehmenskontrolleure ihre Pflichten verletzt haben könnten. An diesem Punkt kommt die D&O-Versicherung ins Spiel. „Nur sie ist in der Lage, einen dreistelligen Millionenbetrag aufzubringen“, so Hendricks. In der Regel versuchen sich die Streitparteien außergerichtlich zu einigen. Doch häufig gelingt das nicht, dann drohen jahrelange Gerichtsverfahren.
Die D&O-Versicherung als Airbag für Compliance-Verstöße
„Die D&O-Versicherung deckt die Kosten für die Abwehr unberechtiger Schadensersatzansprüche“, erklärt Dr. Burkhard Fassbach, Rechtsanwalt und Chefkoordinator des Hendricks Anwaltsnetzwerks in einem rund 40-minütigen Video-Vortrag zum Thema „Die D&O-Versicherung im Gefüge der Compliance Management Systeme“. Stellt sich jedoch heraus, dass die Ansprüche berechtigt sind, werden die versicherten Manager von der Haftung freigestellt und der D&O-Versicherer übernimmt den Schaden.
Ganzheitlicher Blick auf den Versicherungsschutz ist wichtig
Allerdings gilt auch: Managerhaftungsfälle sind meist so komplex, dass im Schnitt 70 Prozent der Zahlungen, die die D&O-Versicherer leisten, von den hohen Rechtskosten aufgefressen werden. Um den Schaden für das Unternehmen oder geschädigte Dritte wie Anleger oder Geschäftspartner selbst auszugleichen, bleibt oft wenig Spielmasse. Dr. Fassbach: „Damit die D&O-Versicherung nicht nur in ihrer Rechtsschutzfunktion als Airbag für Compliance-Verstöße funktioniert, sondern auch dem Bilanzschutz Rechnung getragen werden kann, lohnt sich ein ganzheitlicherer Blick auf den Versicherungsschutz.“
Quelle: „Vornehmste Aufgabe des Vorstands“, Interview mit Michael Hendricks, Handelsblatt PRINT, Nr. 92, Seite 17
Veröffentlicht am: 15. Mai 2018
Autor: Volker Votsmeier
Video-Vortrag „Die D&O-Versicherung im Gefüge der Compliance Management Systeme
Quelle: Video-Vortrag „Die D&O-Versicherung im Gefüge der Compliance Management Systeme“, EQS-Blog (Dauer: 41 Minuten)
Veröffentlicht am: 16. Mai 2018
Redner: Dr. Burkhard Fassbach, Rechtsanwalt und Chefkoordinator des Hendricks Anwaltsnetzwerks
Hier geht es zum Vortrag: